Berndt A. Skott mit Jugendlichen bei einem Karikaturen-Workshop im Düsseldorfer Landtag

Keine Schandtaten mehr: Unser Karikaturist Berndt A. Skott ist gestorben

Als zu Beginn des neuen Jahrtausends immer mehr Obdachlose Opfer von Neonazis wurden, war die Empörung groß. Die feigen Brandanschläge auf Asylbewerber und Menschen ausländischer Herkunft in Hünxe, Hoyerswerda, Mölln, Solingen und anderen Städten etwa zehn Jahre zuvor waren noch in leidvoller Erinnerung; das Bild vom hässlichen Deutschen ging um die Welt. Da dachte sich der Karikaturist Berndt A. Skott: Es müsse etwas geschehen. Dies war die Geburtsstunde des fiftyfifty-Projektes „Deutschkunde“. Nicht zuletzt junge Menschen sollten sich mit dem Phänomen rechter Gewalt auseinandersetzen – die Altnazis erreichen wir eh nicht mehr, meinte Skott. So entstand 2002 in der fiftyfifty-Edition das gleichnamige Buch, bei dem nahezu alle politischen Zeichner von Rang ohne Honorar mitgewirkt haben, darunter Stars wie: Robert Gernhardt, Greser & Lenz, Haderer, Wolf Rüdiger Marunde, Til Mette, Thomas Plaßmann, Erich Rauschenbach, Heiko Sakurei, Jan Tomaschoff und natürlich Berndt Skott selbst.

Nun ist der rastlose Kämpfer gegen Neonazis und Verteidiger der Pressefreiheit im Alter von 75 Jahren gestorben. Und was für die Presse im Allgemeinen zutrifft, galt laut Skott insbesondere für die politische Zeichnung: „Wenn es um Karikatur geht, bin ich zu jeder Schandtat bereit“, so das Motto des 1943 in Königsberg Geborenen, der die Flucht seiner Familie und Millionen anderer in den Westen stets als persönliche und kollektive Nachkriegserfahrung anführte, um für die Rechte der Geflüchteten unserer Tage zu streiten. „Die Karikatur muss mit ihrer vereinfachenden Zuspitzung auf bestehende Missstände hinweisen“, hat der gelernte Maurer, den ein despotischer, alkoholkranker Vater nicht hat Kunst studieren lassen, obwohl er schon in der Grundschule mit frechen Kritzeleien die Lehrer genial aufs Korn genommen hat, einmal in einem Interview mit fiftyfifty gesagt. Dort heißt es weiter: „Im besten Sinne verkörpert die Karikatur einzigartig die ganze Vielfalt und Bedeutung der Meinungsfreiheit, fördert kritische Wachsamkeit und Toleranz, und genau hierin liegt ihr kultureller Wert.“ Insofern war das Projekt „Deutschkunde“ dem in Sachen spitzer Feder gezwungenermaßen Spätberufenen – er veröffentlichte erst 1991 seine erste Karikatur in Newsweek, die ihm dann sofort zum Durchbruch verholfen hat – ein Herzensanliegen. Skott, fortan einer der erfolgreichen und vielfach ausgezeichneten seiner Zunft, spitzte seine Feder nun für die Welt, den Focus, die Westdeutsche Zeitung, den Kölner Stadtanzeiger, später für das Handelsblatt … und, pro bono, für fiftyfifty, andere Straßenzeitungen sowie sogar für die konzernkritische Zeitschrift Stichwort Bayer der Coordination gegen Bayer-Gefahren.

Seine Marke war, wie eine Art Logo, das von ihm gezeichnete Konterfei seines Kopfes mit geöffneter Schädeldecke, darin Pinsel und Stifte. Für Skott war die Karikatur an erster Stelle eine intellektuelle Leistung, ein gezeichneter politischer Kommentar. Wenngleich er seine Kunst mit penibler Akkuratesse auszuführen verstand, war es doch immer zuerst der Inhalt, gewürzt mit bissigem Witz, der ihn interessierte, die Idee. Das Handelsblatt lobte seinen Strich im Nachruf als „feinsinnig und scharf“.

Noch unter den Auswirkungen von Chemotherapie und Bestrahlung konnte er den Griffel bzw. das Pad – Skott ging ja mit der Zeit – nicht beiseitelegen. „Durch die Chemo ist meine Feinmotorik derart beeinträchtigt, dass es mir leider nicht möglich ist, momentan den Stift zu kontrollieren“, teilte er im Januar 2017 mit. Zu dieser Zeit noch voller Hoffnung. Die Ärzte hätten ihm völlige Heilung in Aussicht gestellt. Kommentar Skott, kurz und knapp, knarzig, wie gewohnt: „Eine brauchbare Ansage.“

Seine und unsere „Deutschkunde“ war derweil längst in zweiter Auflage erschienen, es folgte ein weiterer Band mit neuen Zeichnungen und ein gemeinsames Buch voller Karikaturen und Glossen zusammen mit fiftyfifty-Kulturredakteur Olaf Cless unter dem Titel „Stuntort Deutschland“. Die Deutschkunde-Ausstellung war mittlerweile in vielen Schulen und Hochschulen des Landes präsentiert worden und Berndt Skott in seiner „Mission Aufklärung“ im Düsseldorfer Landtag, bei Jugendlichen in Berlin-Marzahn sowie Studierenden an der Hochschule Frankfurt/Oder zugegen. Anlässlich seines 70gsten Geburtstages hat unsere Benefiz-Galerie für Wohnungslose, der neben anderen Künstlern auch Berndt Skott Grafiken geschenkt hat, den großen Karikaturisten mit einer umfassenden Retrospektive geehrt – dies zu einer Zeit, als es ihm noch gut ging.

Am Ende hat sich die Hoffnung auf Genesung nicht erfüllt. Und leider ist das Band zwischen fiftyfifty und Berndt Skott, der auch unserem Beirat angehörte, immer lockerer geworden, schließlich sogar abgerissen. Berndt hat bis kurz vor seinem Tod noch Karikaturen angefertigt und per email verschickt. Aber meinen persönlichen Nachfragen nach seinem Befinden und den wiederholten Bitten, sich doch einmal zu melden, ist er nicht mehr nachgekommen. Vielleicht war es der Aussichtslosigkeit seines Schicksals geschuldet. Vielleicht aber war Berndt auch enttäuscht, vermutlich. Dass wir es nicht mehr erfahren können, schmerzt. Berndt, wir vermissen dich und deine Schandtaten sehr. (www.berndtaskott.de)

Hubert Ostendorf

Benefiz von Berndt A. Skott für fiftyfifty. Hier bestellen: http://www.fiftyfifty-galerie.de/kunst/409/berndt-skott

http://www.fiftyfifty-galerie.de/projekte/1844/deutschkunde-karikaturen-gegen-rechts

 

Berndt A. Skott hat für die Reihe "Was mir wertvoll ist" der Zeitung Publik Forum 2011 einen Artikel geschrieben.

Meine Augen

Mein Motto lautet: Wenn es um Karikatur geht, bin ich zu jeder Schandtat bereit. Ich signiere meine Arbeiten mit einer angedeuteten Krähe. Und eine Krähe ist kein Singvogel, sie ist schwarz wie die Tusche, mit der ich zeichne, sie ist frech, clever und macht Rabatz. Die Krähe ist der Anspruch an meine Karikaturen, dem ich gerecht zu werden versuche. Das Zeichnen hat mich mein ganzes Leben begleitet. Dass ich zeichnen kann und darf und damit sogar mein Geld verdiene, ist ein Geschenk.

Ich bin ein Augenmensch. Sehen allein jedoch genügt nicht. Die Beobachtungen müssen registriert und im Kopf gespeichert werden, um sie bei einer entsprechenden Nachricht oder Schlagzeile ohne Zeitverzögerung verwenden zu können. Ein herkömmliches Bildarchiv wäre niemals so schnell wie meine Sammlung im Kopf. Der Kopfspeicher ist jedem Archiv überlegen, zudem transportabel, ohne Steckdose verfügbar und nahezu unendlich erweiterbar. Einfach eine Nachricht rein, zack, und alles Weitere vollzieht sich sozusagen mit Lichtgeschwindigkeit über unzählige Synapsen. Und so entsteht schon im Kopf aus einem Puzzle von Einzelteilen wie Gestus, Gesichtsausdruck, Körperteilen und Ort der Handlung ein Bild, das zu Papier gebracht werden will. Erst jetzt sind ein Blatt, der Stift und – erneut – die Augen gefragt, eine Skizze entsteht. Dann die Reinzeichnung. Wieder sehen, diesmal kontrollierend, als Feedback. Alles muss schließlich an seinem ihm zugedachten Ort, glaubhaft und für den künftigen Betrachter verständlich aufbereitet sein.

Eine Zeichnung, wenn sie gut ist, wirkt unmittelbar auf die Menschen, oft schneller als Text, mit dem ich in meinen Karikaturen sparsam umgehe. Die Botschaft muss sich auf das Wesentliche konzentrieren. Erst lachen, dann denken. Das ist auch die Idee eines Buchprojektes* mit Karikaturen gegen rechte Gewalt, das ich mit Kollegen initiiert habe, um gegen die Angriffe von Neonazis auf Migranten und Obdachlose Stellung zu beziehen. Ja, die Karikatur bezieht eindeutig ohne Wenn und Aber Stellung, sie ist ein gezeichneter Kommentar.

Als kleiner Junge haben mich die Lehrer für mein Talent bewundert. Wie oft musste ich ein Thema an der Tafel mit schnellen Strichen vor den Augen meiner Mitschüler umsetzen, etwa ein Märchen der Gebrüder Grimm. Bis aber das Zeichnen zu meinem Beruf wurde, sollten noch viele Jahre vergehen. Ich lernte Maurer, heiratete, wir bekamen Kinder, ich arbeitete für ein Anzeigenblatt und wanderte dann nach Griechenland aus, wo ich als Bauzeichner und Inneneinrichter tätig war. Erst im Alter von fünfzig Jahren habe ich den Medien meine ersten Karikaturen angeboten. Mein Stil kam in den Redaktionen gut an. Ich liebe und pflege die Akkuratesse. Ich gebe es offen zu: Ich bin ein Pedant. Und stelle stets den Menschen in den Mittelpunkt, sein Gesicht, aber auch und besonders seine Haltung. Die Hände können und sollen sprechen, im wirklichen Leben wie in meinen Arbeiten.

Mein Talent ist vielleicht wie Wein: Je älter ich werde, umso mehr Erfahrung und handwerkliches Können bringe ich ein. Auch meine Wahrnehmung wurde im Laufe der Zeit durch die Lebenserfahrungen geschärft. Die Karikatur ist nur von kurzer Dauer. Eine Zeichnung, die einen einzigen, kurzen Moment des Weltgeschehens aufgreift und kommentiert, wird bereits zum Zeitpunkt ihres Entstehens von aktuellen Ereignissen überholt. Aber in der Gesamtbetrachtung über Jahre hinweg, etwa in Ausstellungen, die ich bestreite, wird eine politische und gesellschaftliche Entwicklung verdeutlicht. Ein Pressezeichner ist somit auch kommentierender Zeitzeuge und Chronist.

Vor einigen Jahren bin ich mit dem Fahrrad von Düsseldorf nach Santiago de Compostela gefahren, übrigens nicht aus religiöser Motivation, damit habe ich nicht viel zu tun. Es war eine gewaltige Tour. Gelegenheit, mit meinen Augen die Kopfspeicher wieder aufzufüllen. Und gleichzeitig eine Zeit ohne den Stift in der Hand. Am Ende kam ich bereichert zurück. Aber auch mit Entzugserscheinungen – das Zeichnen fehlte mir. Ich musste unbedingt wieder zum Tuschestift greifen. Denn das Zeichnen, meine mir irgendwie geschenkte Begabung, ist ein Teil meiner selbst, eine wunderbare Aufgabe. Sie füllt mich aus und … ist mir wertvoll.