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Ein Werk des ehemals obdachlosen Künstlers Krickel Krakel.

Kunst aus dem Abseits

Akademie der Straße: Aus dem Abseits
Eröffnung 29.11.24, 18 Uhr (bis 31.12.2024)
fiftyfifty-Galerie
Jägerstr. 15 40231 Düsseldorf
0211 9216284
mo - fr 14 - 17 Uhr, sa 11 - 14 Uhr

Eröffnungsrede: Turhan Demirel (Sammlung Demirel/Sammlung für Outsider-Kunst, Wuppertal)

Katharina Mayer, eine bedeutende Vertreterin zeitgenössischer Fotografie, hat in ihrem Oeuvre immer wieder obdachlose Frauen und Männer inszeniert und abgelichtet. Lange bevor sie selbst Professorin an der UE-University in Berlin wurde, hat sie in der berühmten Klasse von Bernd und Hilla Becher studiert. Ihre Werke befinden sich in hochkarätigen Sammlungen und werden international gezeigt. Mit ihren Ausstellungen in der fiftyfifty-Benefiz-Galerie hat sie der oft negativ konnotierten Wahrnehmung von Obdachlosen in Armut und Ausgegrenztsein andere Bildnisse entgegengesetzt, die die Würde der Menschen, die unter Brücken und auf dem Asphalt leben, ihren Stolz und ihre Eigenwilligkeit betonen.

Vor etwa einem Jahr hat Katharina Mayer zusammen mit einigen Obdachlosen die „Akademie der Straße“ gegründet, die nun mit wichtigen Vertreter*innen aus dem gesellschaftlichen Abseits wie Ralf Mihm, der vor einigen Monaten gestorben ist, Sandra Martini, Karin Hirsch, Markus Schmid, Mario Fois, Sammy N. (u. a.) in der fiftyfifty-Galerie ausstellt. Obdachlose und Housing First-Berwohner*innen zeigen Werke, die die eigenen, nach gesellschaftlichen Maßstäben oft als gescheitert angesehene Lebensgeschichten in Zeichnungen, Malerei, Fotografie und Texte einfließen lassen. Auf diese Weise werden Erfahrungen von Ablehnung bis Diskriminierung transzendiert und in eigenwillige, sehr persönliche und berührende Kunstwerke verwandelt; anknüpfend an die Tradition von Art Brut  - zu Deutsch: Rohe Kunst.

Ein weiterer, der die Akademie regelmäßig besucht und schon erfolgreich ausgestellt und verkauft hat, ist Krickel Krakel, wie es sich selbst nennt - ein ehemaliger Obdachloser, der wunderbare Werke schafft, der heimliche Star in der fiftyfifty-Ausstellung. Sein Name ist so etwas wie Programm. Anders als etwa bei dem berühmten Cy Twombly, dessen völlig abstrakte Gemälde tatsächlich an Kritzeleien auf Hauswänden und Pissoirs erinnern, entstehen die Bilder von Krickel Krakel aus einem abstrakten Gestus, münden aber im Malprozess oft in konkrete Figuren, die dann erst bei genauem Hinschauen sichtbar werden. Als „Pinsel“ benutzt er Kämme und Scheckkarten - ohne Guthaben freilich, mit denen er Farben, manchmal nur eine, die schwarze, verschachtelt auf Papier oder mit Resopal beschichtete Holzplatten, die er im Müll findet, aufträgt: schlierig, wahlweise mit dünnem, durchschimmerndem oder pastösem Auftrag - ein wenig so, wie manche Linien von Koks ziehen. Die Oberflächen der Bildträger müssen dafür immer glatt sein. „Meine Arbeiten entstehen im Prozess. Ich weiß vorher nie genau, was dabei herauskommt“, erläutert der Künstler. Gerhard Richter, der bei seinen berühmten Rakel-Bildern ebenfalls auf eine gewisse intuitive Entstehung setzt, hat einmal gesagt: „Meine Bilder sind klüger als ich.“ Von Richter stammt auch der oft zitierte Satz: „Malen ist denken.“ Auch für Krickel Krakel, der über zehn Jahre in einem Abrissbungalow ohne Fenster und Türen im Sommer wie im Winter bei Hitze, Wind und eisiger Kälte ausharrte, ist künstlerisches Schaffen „ein bewusster Prozess“. Aber wissen Künstler*innen wirklich immer genau, was sie tun? Marcel Reich-Ranicki hat einmal über die Entstehung von literarischen Texten gesagt: „Vögel haben keine Ahnung von Ornithologie.“ Das beschreibt nichts Anderes, als diesen Flow, der kreativen Schaffensprozessen zugrunde liegt - umso mehr, wenn die Erfahrungen von existenzieller Not und Ablehnung mit einfließen. Hubert Ostendorf

Dank an die Buchbinderei Mergemeier, die zusammen mit den Studierenden der Akademie der Straße Kunstmappen erstellt hat.