Schüler drehen Kurzfilm über das Leben auf der Straße
Detlef sitzt auf einer Parkbank im Hofgarten. Er hält eine qualmende Zigarette zwischen den Fingern und betrachtet das Geschehen im Park. Schnitt. Menschen hasten durch die überfüllte Düsseldorfer Innenstadt, ein Bus rauscht vorbei, es ist eng, es ist laut. Mittendrin steht ein fiftyfifty-Verkäufer, seelenruhig trotz des Gedränges. Schnitt. Detlef zieht an seiner Zigarette und stößt weißen Rauch aus. Er spaziert zu einem Mülleimer, sucht darin nach Pfandgut und findet eine leere Dose. Der einminütige fiftyfifty-Werbeclip ist Teil des Vorprogramms der Kinos Bambi, Souterrain und Metropol. Gemacht wurde er von zwei 19-Jährigen.
Max Greve und Milan Grafweg drehen gemeinsam Filme, seit sie zwölf Jahre alt sind. Was mit Laserschwert-Duellen – aufgenommen auf Mamas Camcorder – anfing, ist zu einem unverzichtbaren Bestandteil ihres Lebens geworden. Mit fiftyfifty kamen sie über die Lore-Lorentz-Schule in Kontakt, die Max besucht. Das berufliche Gymnasium arbeitet seit über fünf Jahren mit dem Straßenmagazin zusammen. Jährlich gestalten die Schüler des Bildungsganges „Gestaltungstechnischer Assistent“ Weihnachtskarten, die an die Verkäufer der Zeitschrift zum Weiterverkauf verschenkt werden. Hubert Ostendorf, Gründer und Geschäftsführer von fiftyfifty, schlug den Schülern vor, eigene Ideen zur Promotion des Magazins zu entwickeln. Sofort arbeitete Max ein Konzept für einen Kurzfilm aus. „Ich wollte eine bewegte, düstere Atmosphäre schaffen mit ständigem Wechsel von Tag und Nacht“, erzählt er. „Der Ausweg aus diesem ewigen Teufelskreis: fiftyfifty.“
Über Monate hinweg fuhren die Jungen immer wieder aus Haan in die Düsseldorfer City, trafen die fiftyfifty-Verkäufer und sprachen mit ihnen über das Leben auf der Straße. So auch mit Detlef, dem Protagonisten des Films, der die Zeitschrift seit dem Erscheinen der ersten Ausgaben 1995 verkauft. „Dieser direkte Einblick in das Leben der Verkäufer hat uns ein viel tieferes Verständnis davon gegeben, was es heißt, obdachlos zu sein“, sagt Max. Auch die Musik des Films stammt aus eigener Feder. Musiker Milan komponierte einen Soundtrack, der das Filmkonzept akustisch widerspiegelt.
Premiere feierte das Werk bei einer Ausstellung der Lore-Lorentz-Schule in der fiftyfifty-Galerie. Auch Detlef war da. „Er hat den Film gefeiert und war stolz, sich selbst auf der Leinwand zu sehen“, erzählt Max. Mit der Unterstützung von Ostendorf schaffte es der Film von der fiftyfifty-Galerie in die Programmkinos. „Den eigenen Film auf einer großen Leinwand zu sehen als Beweis für das, was man so drauf hat, das erfüllt einen mit Stolz“, meint Max. Die Jungs hoffen, durch ihren Film auch außerhalb der Kinowände etwas bewegen zu können. „Für viele Menschen ist es nicht leicht, mit dem Thema Obdachlosigkeit umzugehen“, stellt Milan fest. „Durch den Film sollen sich die Menschen besser in die Situation der fiftyfifty-Verkäufer einfühlen können.“
Ihr nächstes Projekt: Das Hobby zum Beruf machen. Zusammen mit zwei Freunden gründeten sie vor Kurzem die Kreativagentur Awaque. Hier bieten sie kommerziellen Kunden ihre filmischen Dienste sowie Arbeiten im Bereich Fotografie und Webdesign an. Mit den Verdiensten wollen sie ihr Taschengeld aufbessern und die kostspielige Ausrüstung finanzieren, die sie für ihre Tätigkeit benötigen. Auch für ehrenamtliche Projekte sind sie offen.
Johanna Porten, Rheinische Post