Nach jahrelangem Ringen: fiftyfifty erarbeitet gemeinsam mit der Stadt dauerhafte Lösung für die obdachlosen Menschen hinter dem Amtsgericht
Update Montag, 19.10.2020:
Am heutigen Montag, 19.10.2020, wurde die Fläche hinter dem Amtsgericht geräumt. Anwesend waren neben dem Ordnungsamt und der Polizei auch die DB Sicherheit (mit Hunden!), die Obdachlosenhilfe der Stadt, die franzfreunde und unsere Streetworker Johannes Dörrenbächer und Julia von Lindern.
Rund 60 Menschen wurden zwischen Werdener Straße und Ronsdorfer Straße von uns angetroffen. Die Anzahl der Personen, die sich auf diesem Gelände aufhielten, war damit deutlich größer als bisher bekannt. Bereits um 08.30 Uhr warteten mehrere Personen mit gepackten Koffern auf uns. Insgesamt haben wir 25 Personen in städtische Unterkünfte vermittelt. Sie sind erleichtert und zufrieden in ihrem vorerst neuen Zuhause angekommen. Für weitere Personen musste der Rettungsdienst gerufen werden, da sie in einem gesundheitlich sehr schlechten Zustand waren. Wieder andere wurden von der Räumung überrascht und haben das Areal überstürtzt verlassen, ihr Verbleib ist unklar.
Die extreme Verarmung und Verelendung der Menschen, insbesondere von EU – Bürger*innen, die in Deutschland nur unter sehr speziellenVoraussetzungen ein Recht auf Sozialleistungen erhalten, ist erschütternd. Es ist beinahe unfassbar, dass mitten im reichen Düsseldorf bis zu sechzig Menschen in selbst gebauten Baracken und Zelten leben mussten, weil die Politik viel zu lange weggeschaut und den Menschen keine Hilfe angeboten hat. Eine Plattenräumung in diesem Ausmaß haben auch wir noch nicht erlebt und sie ist sicherlich eine der größten dieser Art in den letzten zehn Jahre gewesen. In der Vergangenheit standen wir Plattenräumungen stets kritischen gegenüber, da Vertreibung grundsätzlich niemals das Ziel von Hilfe sein kann oder darf. Die „Angebote“ bei vielen Räumungen beschränkten sich zumeist auf den Verweis auf die Notschlafstellen. Wer dies nicht annehmen konnte oder wollte, erhielt keine weitere Unterstützung. Bei der heutigen Räumung haben wir eine andere Erfahrung gemacht. Viele Jahre lang haben wir im Sinne der Menschen dort deutlich gemacht, dass eine alternativlose Räumung des Geländes hinter dem Amtsgericht schlicht inakzeptabel ist. Die heute vor allem durch die Stadt Düsseldorf herbeigeführte Lösung zeigt eindrücklich, dass bedarfsgerechte Angebote an die Menschen zu einer Befriedung in einem ganzen Stadtviertel beitragen kann.
Freitag, 16.10.:
Hinter dem Düsseldorfer Amtsgericht leben seit einigen Jahren obdachlose Menschen in selbst gebauten Behausungen. Nach jahrelangem Ringen um eine menschenwürdige Unterbringung der obdachlosen Menschen konnten wir am Freitag, 16.10.2020, einen dauerhaften Erfolg erreichen. Vor knapp zwei Wochen konnten bereits die ersten acht Menschen aus diesem Camp in eine städtischen Unterkunft einziehen. Einige Personen, die wegen ihrer Hunde keinen Platz in einer städtischen Unterkunft fanden, lebten weiterhin hinter dem Amtsgericht. Gestern verkündete die Stadt dann, dass die Fläche endgültig geräumt und gerodet werde. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht geklärt was mit den verbliebenen Menschen und ihren Hunden geschehen sollte - ihnen drohte die Räumung und Vertreibung ins Ungewisse, ihr weniges Hab und Gut wäre verloren gewesen. Nach weiteren Gespräche mit der Stadt, entwickelte diese heute jedoch eine unbürokratische Lösung in letzter Minute. Die verbliebenen Menschen werden nun am kommenden Montag auch mit ihren Hund in ein städtisches Obdach einziehen.
Den Stein brachte ursprünglich Bezirksbürgermeister Marco Siegesmund ins Rollen, als er vor kurzem erneut einen Austausch zwischen den Obdachlosen, den Anwohner*innen des angrenzenden Wohngebietes und unseren Streetworkern organisierte. In weiteren konstruktiven Gesprächen mit der Stadt entwickelte die Amtsleiterin Miriam Koch Vorschläge zur Unterbringung, die zu dem Einzug der ersten Gruppe in ein städtisches Obdach vor knapp zwei Wochen mündeten. Für den anderen Teil schien aufgrund ihrer Hunde zunächst keine Lösung in Sicht.
Als unser Streetworker Johannes Dörrenbächer die Menschen heute über die angedrohte Räumung für den kommenden Montag informierte, waren sie verzweifelt. Sie wussten nicht wo sie mit ihrem Familienzusammenhang von etwa achtzehn Personen nach der Räumung leben sollten. Aus diesem Grund führten wir erneut Gespräche mit der Stadt, die nun zu einem positiven Ergebnis führten.
„Die nun gefundene Lösung ist das Ergebnis unseres unermüdlichen Einsatzes und dem zähen Ringen um eine gute Lösung und eine menschenwürdige Unterbringung. Ohne den politischen Druck wären diese Menschen einfach geräumt worden. Wir sind froh, dass die Stadt sich nun
für einen anderen Weg entschieden hat. Die Zusammenarbeit hat schließlich gut funktioniert.“, sagt Dörrenbächer.
Mittlerweile ist es die dritte erfolgreich verhinderte Plattenräumung. Die Lösungen für die Menschen am Ratinger Tor, sowie am NRW-Forum vor knapp zwei Jahren sind ebenfalls durch unsere Lobbyarbeit entstanden.
„Wir würden uns freuen, wenn dieses Vorgehen dauerhaft Schule macht. Denn schließlich können Räumungen und Vertreibung niemals eine Lösung für gesamtgesellschaftliche Probleme sein. Und wir erleben an diesem Besipiel erneut, dass es gehen kann“, resümiert Johannes Dörrenbächer.
(Fotos: fiftyfifty)