1958: Thomas Ruff wird in Zell am Harmersbach/Schwarzwald als viertes von sechs Kindern geboren. Der Vater Stefan Ruff arbeitet als Kermaikgießer in der Zeller Keramikfabrik, die Mutter Luise Ruff ist Hausfrau und stammt von einem Bauernhof in Oberentersbach/Schwarzwald. Die Kleinstadt Zell a.H. hat zu diesem Zeitpunkt circa 5.000 Einwohner. Thomas Ruff erinnert sich an eine erlebnisreiche Kindheit, bei der die Eltern den Kindern große Freiräume ließen.
1968: „Meine Eltern wollten, dass wir Kinder es einmal besser haben. Sie hatten keine Vorstellung, was Abitur bedeutet. Sie wollten mir aber die Option offen halten, alles zu machen, was ich wollte“.
Thomas Ruff ist ein guter Schüler und kann trotz seiner kleinbürgerlichen Herkunft das Mathematische- Naturwissenschaftliche Gymnasium in Hausach besuchen. Er pendelt täglich eineinhalb Stunden mit dem Zug.
1972: Er beginnt sich für Astronomie zu interessieren und erwirbt ein kleines Teleskop mit 60 mm Objektivdurchmesser.
1973: Thomas Ruff findet Abschluß an eine Gruppe junger Hilfsarbeiter, die etwas älter sind als er. Deren provinziell verspätetes Hippietum imponiert dem Jugendlichen. Sein Vater ist mit diesem Freundeskreis nicht einverstanden. Sohn und Vater sprechen ein Jahr nicht miteinander. Der Konflikt mit dem Vater löst sich, als der Drogenkonsum der Freunde nur noch kriminell zu finazieren ist, ein Weg, der Thomas Ruff seinen Freunden entfremdet.
1974: Angeregt durch einen Schulfreund erwirbt er seinen ersten Fotoapparat, eine Kleinbildkamera Typ Nikon FTN. In einem Volkshochschulkurs lernt er die Grundlagen der Fototechnik kennen. Für seine Aufnahmen orientiert er sich an den Bildklischees verschiedener Amateurfotomagazine.
1976: Er reist in den Sommerferien nach Italien und Griechenland, auch hier entstehen zahlreiche Fotos.
1977: Direkt nach dem Abitur beginnt Thomas Ruff im Oktober das Studium an der Kunstakademie Düsseldorf. Er hatte sich für freie Kunst/Fotografie mit seinen 20 „schönsten“ Dias beworben, die unter anderem Architektur- Landschaftsaufnahmen aus dem Schwarzwald zeigen.
1978: Durch die Seminare von Benjamin H.D. Buchloh, der für kurze Zeit in Düsseldorf lehrt, lernt Thomas Ruff die Minimal Art und die Konzeptkunst kennen. Als er erstmals die Fotoserien von Bernd und Hilla Becher sieht, ist er geschockt, weil diese Bilder nicht seiner provinziellen Vorstellung von künstlerischen Fotografie entsprechen. Erst nach und nach versteht er den Ansatz der Bechers und die Bedeutung ihrer Arbeit. Im Laufe seines ersten Studienjahres wird ihm bewusst, dass seine bisherigen Fotos nur Klischees imitieren. Er stellt - überwältigt von diesen Erkenntnissen – über ein Jahr lang keine Fotos mehr her.
Mitte Oktober wird er in die 1976 gegründete Klasse von Bernd Becher aufgenommen, in der Volke Döhne, Candida Höfer, Axel Hütte, Thomas Struth, Angelika Wengler und Petra Wunderlich studieren. Der Unterricht findet in der Außenstelle der Kunstakademie in der Karl-Anton-Straße 15 statt. Dort befinden sich auch Klassenräume von Günther Uecker und Klaus Rinke, bei dem unter anderem Harald Klingelhöller und Reinhard Mucha studieren. Über Michael Royen lernt er einige Studenten der Klasse von Gerhard Richter kennen, unter anderem Gerahard Martini, Michael van Ofen, Thomas Schütte und Volker Tannert. Bald vergrößert sich der Kreis seiner Freunde und Bekannten in der Akademie, viele von ihnen werden später von ihm porträtiert.
1979: Er beginnt mit der Serie Interieur und fotografiert zunächst entsprechend den Vorgaben der dokumetarischen Fotografie in Schwarzweiß. Ihm erscheint allerdings das Dogma, Fotos in Schwarzweiß herzustellen, im Laufe der Arbeit als zu künstlich. Denn: „Die Augen sehen Farbe, Wirklichkeit stellt sich in Farbe dar“. Neben Candida Höfer, die ihre Aufnahmen als Diaprojektion zeiogt, ist Thomas Ruff der einzige in der Becher-Klasse, der in Farbe arbeitet.
1980: Er wird zum >Art-Direktor< der Düsseldorfer Band EKG (K. Wedrich, B. Kastner, S.M.Syniuga und Stoya) ernannt. >Punk< ist inzwischen in Deutschland angekommen, die Düsseldorfer Ratinger Straße, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Akademie befindet, wird zu einem der Zentren der Punkbewegung in Deutschland. Die Lokale >Ratinger Hof< , >Uel< und >Einhorn<, alle auf der Ratinger Straße, sind Stammkneipen vieler Akademiestundenten. „ Mit mir haben immer alle gern Bier – wahrscheinlich, weil ich damals auf >cool< machte und wenig gesagt habe“.
1981: Als Gegenleistung für die Aufnahmen für EKG stehen ihm die Bandmitglieder immer für Portrötsitzungen zur Verfügung, bei denen er die verschiedenen Möglichkeiten des Genres Porträt testen kann. Er benutzt unterschiedliche Negativformate und variiert die Lichtsetzung, bis er sich auf das Brustbild und ein einheitliches, frontales Licht festlegt. Die ersten Aufnahmen der Serie Porträt entstehen. Er beteiligt sich an den von Künstlern organisiert Ausstellungen auf dem Fabrikgelände an der Münsterstraße 446 in Düsseldorf, wo einige Künstler ihre Ateliers haben.
Bei seiner ersten Ausstellung, die in der Galerie Rüdiger Schöttle in München stattfindet, zeigt er arbeiten aus der Serie Interieurs.
1982: Thomas Ruff und sein Freund Bernd Jünger erhalten das Parisstipendium der Kunstakademie Düsseldorf und wohnen sechs Monate in der Cite Internationale des Arts in Paris ( von April bis September).Gemeinsam produzieren sie eine Serie von Aufnahmen, die als Postkarten an Freunde verschickt werden. Zusätzlich arbeitet Ruff in Paris an einer Serie von Selbstporträts, L`Empereur, die er nur in der >Ausstellung B< in München (1982) und bei Klaus Renzel in >Ausstellungsräumen Brücken Straße 7< in Düsseldorf (1985) zeigt.
Nachdem er aus Paris nach Düsseldorf zurückgekommen ist, lernt er Studenten der Klasse von Fritz Schwegler kennen, unter anderem Stefan Demary, Elke Denda und Katharina Fritsch, deren Arbeiten er bereits von jährlich stattfindenden Rundgängen kannte. Bernd Becher ernennt ihn zum Meisterschüler.
1983: Für die Becher-Klasse wird eine Farbentwicklungsmaschine angeschafft. Ruff kann nun seine Abzüge selbst herstellen und ist nicht mehr auf teure Farblabors angewiesen.
1984: Mit Anne Jacquemard, Axel Hütte ind William Wegman stellt Thomas Ruff in der Düsseldorfer Galerie von Konrad Fischern aus. Fischer reagiert damit auf die Information, dass Fotografie in der für Düsseldorf geplanten Ausstellung >von hier aus < keine große Rolle spielen sollte.
Seine künstlerische Arbeit finanziert Thomas Ruff inzwischen mit Auftragsarbeiten für Galerien und befreundeten Kollegen. Im Auftrag von Kasper König erstellt er die Installationsaufnahmen für den Katalog der Ausstellung >von hier aus < , wobei ihm Jörg Sasse hilft.
1985: Vom Preisgeld des Förderpreises der Jürgen-Ponto-Stiftung kauft sich Thomas Ruff einen gebrauchten VW Käfer und eine ebenfalls gebrauchte, größere Blitzanlage. Mobil und professionell ausgestattet, kann er nun auch aufwendigere Aufträge von Museen und Galerien selbständig ausführen.
1986: Thomas Ruff bezieht ein Atelier in der Hansaallee 11 und teilt sich dort eine Dunkelkammer mit Andreas Gurskey und Axel Hütte. Er setzt die Serie Porträts mit weißem Hintergrund fort und zeigt die Porträtierten fast nur noch frontal zur Kamera. Philip Nelson, der durch Harald Klingelhöller und Thomas Schütte auf Ruff aufmerksam gemacht wurde, lädt ihn ein, in der Galerie Nelson in Villeurbanne (Frankreich) die kleinformatigen Porträts auszustellen. Er ermöglicht Thomas Ruff durch einen Zuschuß, eine Bildidee zu verwirklichen, für die Thomas Ruff bisher die finanziellen Mittel fehlten: bei einem professionellen Großbildlabor fünf Porträts im großen Format ausführen zu lassen. Durch ihr Format markieren die Porträts innerhalb der Kunstszene die Emanzipation der Fotografie.
1987: In einer Ausstellung der Kölner Galerie Johnen& Schöttle sieht Jean-Christoph Ammann die großformatigen Porträts und erwirbt ein Porträt für das 1991 zu eröffnende Museum für Moderne Kunst in Frankfurt. Mit den Porträts erlebt Ruff seinen internationalen Durchbruch. Gleichzeitig beginnt er mit der Serie Häuser, bei denen er erstmals digitale Retuschen einsetzt. Zu diesem Zeitpunkt gibt es in Deutschland kein Fotolabor, das digitale Retuschen an Großbildnegativen vornehmen kann. Nach längerer Suche findet er das Studio Gwerder in Zürich, das bereit ist, an einer großen Bilddatei die gewünschten Retuschen vorzunehmen.
1988: Thomas Ruff nimmt an wichtigen internationalen Ausstellungen wie der >Aperto< in Venedig und der > BiNationale< in Düsseldorf und Boston teil. Er stellt die Auftragsarbeitenein und kann sich erstmals ganz auf seine künstlerische Arbeit konzentrieren.
1989: Das Atelier in der Hansaallee wird zu klein, so dass er ein weiteres Atelier auf der Kronprinzenstraße bezieht. Das große Interesse öffentlicher und privater Sammler an seinen Werken ermöglicht es ihm, auch kostenintensive Projekte in Angriff zu nehmen. So kann er mit der Serie Sterne beginnen, für die er das 1212 Negative umfassende Konvolut wissenschaftlicher Sternaufnahmen(ESO/SRC Atlas of the Southern Sky) von der ESO (European Southern Observatory) in München erwirbt.
Wie alle wird Thomas Ruff vom Fall der Mauer und der anschließenden Wiedervereinigung Deutschlands überrascht. Niederschlag findet das Ereignis für Ruff zunächst nur in dem seit 1981 angelegten Archiv für seine 1990 begonnen Zeitungsfotos, das bereits viele Bilder aus der DDR enthält.
1990: Nachdem Jacques Herzog und Pierre de Meuron Ruffs Ausstellung in der Kunsthalle Zürich gesehen haben, bitten sie ihn, eines ihrer Gebäude für die Architekturbiennale in Venedig zu fotografieren In der Folge entsteht eine enge Freundschaft mit dem Architekten.
1991: Als Reaktion auf einen Artikel eines französischen Kunstkritikers entwickelt Ruff die Serie blaue Augen. Die Serie Porträt war mit Kunst des Sozialistischem Realismus sowie Faschismus verglichen worden.
1992: Angeregt durch Fernsehbilder vom Golfkrieg beginnt Thomas Ruff mit der Serie Nächte, Für deren Herstellung er einen Restlichtverstärker erwirbt. Die ersten fünf Nacht-Aufnahmen werden auf der >documeta IX< ausgestellt. Er setzt sich intensiver mit Apparaten und Technik der Fotografie auseinander.
1993: Ruff erhält das >Villa Massimo Stipendium< ,das ihm einen sechsmonatigen Aufenthalt in Rom (von Januar bis Juli) ermöglicht. Erste Versuche mit stereoskopischer Fotografie.
1994: Die Beschäftigung mit den unterschiedlichen Apparaten und Techniken der Fotografie führt zu den Serien andere Porträts und Stereofotos, die die Manipulation der Wahrnehmung durch Fotografie verdeutlichen.
Herzog& de Meuron beauftragen Ruff, die Fassade der von ihnen entworfenen Bibliothek der Fachhochschule Eberswalde (Fertiggestellt 1999) mit Zeitungsfotos zu gestalten. Eines der Themen von Thomas Ruffs Fassadengestaltung wird die neuere Geschichte Deutschlands: der Mauerbau von 1961 und die Wiedervereinigung von 1989.
1995: Gemeinsam mit Katharina Fritsch und Martin Honert stellt Thomas Ruff im Deutschen Pavillion auf der Biennale in Venedig aus. Er zeigt eine Auswahl der Serie andere Porträts und verschiedene Stereofotos mit Schwarzweiß-Aufnahmen des Strickerhofs in Oberentersbach (Schwarzwald), von dem seine Mutter stammt. Ein Foto von Sophia Loren, das er in einer Biennale begleitenden Ausstellung sieht, regt ihn zu den Retuschen an.
1996: Aktuelle politische Ereignisse wie die Wiederaufnahme der Atomversuche im Pazifik durch französische Regierung (1995) oder die Diskussion um die neue deutsche Hauptstadt Berlin (seit 1990) lenken Thomas Ruffs Interessen auf politische Kunst. Er entwickelt die Serie Plakate, mit der er verschieden politische Figuren und Ereignisse bearbeitet.
1997: Die Serie Plakate wird von Teilen der Presse negativ aufgenommen, da ihre vermeintlichen politischen Aussage als anachronistisch angesehen wird. Trotzdem beschäftigt sich Ruff weiter mit diesem Thema.
1999: Bei einer Recherche zu Aktfotografie, einem Genre, das Thomas Ruff seit längerem interessiert, entdeckt er im Internet Pornographieseiten. Er beschließt, mit dem dort gefunden Bildmaterial zu arbeiten und entwickelt erste Bilder der Serie nudes.
Ruff wird von Julian Heynen eingeladen, für eine Ausstellung in Krefeld Gebäude von Mies van der Rohe zu fotografieren. Diese Aufnahmen und andere, auf eine Bitte von Terence Riley (Museum of Modern Art, New York) zurückgehende, weitere Gebäudeaufnahmen bilden die Serie l.m.v.d.r.
Für Herzog& de Meuron entwickelt er ein Bildprogramm für den Boden der Passagen des Gebäudekomplexes >Fünf Höfe< der HypoVereinsbank in München mit Luftaufnahmen aus seiner Serie Stereofotos.
2000: Thomas Ruff wird zum Professor an der Staatlichen Akademie in Düsseldorf berufen und übernimmt als Nachfolger von Jeff Wall, der nur für kurze Zeit Nachfolger von Bernd Becher war, die Klasse für >Freie Kunst/Fotografie<. Gemeinsam mit Laurenz Berges, Andreas Gursky und Axel Hütte erwirbt er von den Stadtwerken Düsseldorf die Hansaallee 11, ein Fabrikgelände mit Maschinenhalle, Schaltzentrale und Trafostationen. Er lässt sich von Herzog& Meuron seinen Gebäudeteil zum Atelier umbauen.
2001: Er beginnt die Serie Substrat, eine Reflexion über die Bilderwelt des Internet.