Ute Z. Würfel (*1966) lebt und arbeitet in Berlin. Sie ist Stipendiatin der Cité Internationale des Arts Paris.
Das Projekt 'systemfehler_neustart' [s_n] gleichnamiger Künstlerinitiative wurde für den öffentlichen Raum rund ums Brandenburger Tor und den Reichstag konzipiert. Das Konzeptbuch wurde von Verena Landau und Ute Z. Würfel redaktionell betreut und von Würfel grafisch gestaltet (vgl. http://www.froehlicher- untergrund.de).
Das Manuskript war erstmals 2010 in der Ausstellung »Macht zeigen: Kunst als Herrschaftsstrategie« im Deutschen Historischen Museum Berlin zu sehen. 2012 wurde der Prototyp des Konzeptbuches mit dem Katalog »Zerreissproben« (Meine Verlag, 2010) ins Archiv der documenta Kassel aufgenommen. Würfel's künstlerischer Beitrag zu 's_n' – das »Büro für systemimmanente Fragestellungen: Weg der Rohrpost in den Plenarsaal des Deutschen Bundestages« (Zwei technische Zeichnungen, 2007/2010) und »Robinante« (Digitale Fotomontage, 2010) – wurde ungerahmt 2010 in der Ausstellung »Zerreissproben« des 'Leipziger Kreis – Forum für Wissenschaft und Kunst' im Tapetenwerk Leipzig sowie 2012 zur »7. Berlin-Biennale« in den KunstWerken und als dreiteilige Diasec®-Produktion 2016 im Kreuzberg Pavillon Berlin präsentiert.
Unter dem Titel »Von Tag zu Tag« subsumiert Würfel serielle Werke tagebuchähnlichen Charakters, wie das kartografische Drehbuch »De jour en jour – Claude Panama et la grande bouffe d'escargot« (2001/2002) das aus insgesamt 2 x 366 Fotografien besteht, die im Verlauf eines Jahres (365 Tage ± 1 d) täglich auf den Pfaden psychogeografischer Umgebungskonstruktionen durch den Untergrund (base) und den Überbau (superstructure) der Stadt Paris streifend, in verschiedensten Photomatons (Fotofixautomaten) mit unterschiedlichsten Passanten aufgenommen wurden. Gesichter der Großstadt. Jene Arbeit wurde bisher im Centre Allemand d'Histoire de l'Art Paris (Diaprojektion und Lesung, 2002), im Centre Culturel Franco-Allemand Karlsruhe (Computergesteuerte Projektion und Performance, 2003) und in der Galerie U7 Frankfurt / Main (Computergesteuerte Projektion, 2003) ausgestellt. 2009 wurden in Zusammenarbeit mit der Galerie fiftyfifty Düsseldorf im Rahmen der Ausstellung »New York +++ Paris +++ Dehli« die ersten sechs Fotografien aus dem gesamten Zyklus als Diasec® produziert. Jene sechsteilige Diasec®-Produktion wurde 2016 zu Würfels Retrospektive »Ein halbes Jahrhundert« im Kreuzberg Pavillon erstmals in ihrer Heimatstadt Berlin präsentiert.
Ebenfalls unter dem Label »Von Tag zu Tag« entstanden 2016 die »Fliegergedichte«, konzipiert für die Zentral- u. Landesbibliothek Berlin (Amerika-Gedenk-Bibliothek [AGB]), wo sie für die Dauer der Ausstellung »Public library« in einer Vitrine präsentiert wurden. Hierzu trennte Würfel aus den seitens der Bibliothek makulierten Büchern von Alev Tekinay »Günaydın – Einführung in die moderne türkische Sprache Teil 1« sowie dem dazugehörigen »Schlüssel« Blätter heraus, um davon mit Hilfe der Kinder und Jugendlichen vom Boltzplatz Adalbert- Ecke Waldemarstraße im Kreuzberger Kiez Papierflieger zu bauen. Später markierte sie auf jedem Flieger einzelne Worte und stellte diese zu Gedichten zusammen, so dass die an einem Tag entstandenen Flieger jeweils ein Gedicht ergaben. Zu den Lesungen der Gruppe »write-in« trug Würfel die 28 Gedichte im Salon der AGB erstmals öffentlich vor und ließ ein jedes Gedicht nach dem Vorlesen fliegen. 2017 wurden beide Gedichtbände im Rahmen der Ausstellung »Genius Loci« in der Oberwelt Stuttgart präsentiert.
Die »Fliegergedichte« sind eine Vorarbeit zum Roman »Genug geliebt« an dem Würfel gegenwärtig arbeitet. Beide Werke thematisieren die Kreuzberger Boltzplätze als 'Genius Loci' einer Fußballerin, der jene Orte nicht nur als Quelle der Inspiration, sondern auch als Atelier im öffentlichen Raum dienen. Der 'Genius Loci' Boltzplatz als Arbeitsplatz einer selbsternannten Streetworkerin. Die Suche nach Antworten auf die Frage, was Fußball mit Kunst zu tun haben könnte, gipfelt in das Zusammenspiel mit Menschen die aus verschiedensten Ländern und Kulturkreisen der Welt kommen. Während im Roman von den Begegnungen zwischen der Frau, die mit den Männern Fußball spielte, ihrer Position als Torwärtin, dem sie angreifenden Sturm und ihrer Verteidigung erzählt wird, spannen die Fliegergedichte den Bogen zur Poesie, die dem Geist der Straßen und Plätze einer Großstadt innewohnt.
Text: Marie Sophie Le Cornichon