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Das Prinzip Hoffnung – Ernst Blochs Utopie als Antwort auf die Krisen unserer Zeit - Straßenmagazin - Magazin - fiftyfifty
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Das Prinzip Hoffnung – Ernst Blochs Utopie als Antwort auf die Krisen unserer Zeit

Es ist eines der einflussreichsten Werke des 20. Jahrhunderts - Ernst Blochs Buch „Das Prinzip Hoffnung“. Es bietet nicht weniger als eine umfassende Analyse der menschlichen Sehnsucht nach einer besseren Zukunft. Geschrieben im Exil während des Zweiten Weltkriegs, als die Welt am Abgrund stand, die unfassbaren Gräueltaten der Nazis vor Augen, ist dieses Werk zugleich eine philosophische Erkundung von Utopien und eine Anleitung, wie die Menschheit die Zuversicht aufrechterhalten kann. Um welch grundlegende Anliegen es dabei geht, zeigen schon die ersten Sätze dieses Klassikers: „Wer sind wir? Wo kommen wir her? Wohin gehen wir? Was erwarten wir? Was erwartet uns?“ In Zeiten von Obdachlosigkeit, Hunger, Krieg und Klimakatastrophen wirken Blochs Fragen besonders aktuell, denn seine zentralen Gedanken und Prinzipien scheinen auf traurig aktuelle Weise mit den Herausforderungen unserer Gegenwart verwoben.

Ernst Bloch als junger Mann 1917. (Foto: Wikipedia)

Ernst Bloch und sein Erbe
Ernst Bloch wurde 1885 in Ludwigshafen geboren. Er entstammte einer jüdischen Familie. Nach dem Abitur studierte Bloch Philosophie, Germanistik und Physik an den Universitäten München, Würzburg und Berlin. Wegen seiner kritischen Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus emigrierte Bloch 1933 in die Schweiz und später in die USA. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte Bloch 1949 nach Deutschland zurück und nahm eine Professur in Leipzig an. In der DDR geriet er jedoch bald in Konflikt mit den politischen Machthabern, da er die marxistische Theorie freier und humanistischer interpretierte. 1961, nach dem Bau der Berliner Mauer, siedelte er in die Bundesrepublik über. In den letzten Jahren seines Lebens lehrte und forschte Bloch in Tübingen. Seine Arbeiten inspirierten viele Bewegungen, insbesondere die Studentenproteste der 1960er Jahre. Ernst Bloch starb 1977 in Tübingen. Um das Gedenken an ihn wach zu halten, wurden Protestzüge organisiert, bei denen die Teilnehmer*innen auf Transparenten und mit Redebeiträgen zentrale Gedanken seiner Philosophie aufgriffen - wie etwa die Kritik am Kapitalismus. Somit gerieten diese studentischen Demonstrationen zu Protesten gegen die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse der Zeit, bewusst verstanden als Erbe Bloch’scher Ideale und im Kontext der Kämpfe gegen soziale Ungleichheit, Atomwaffen und Umweltzerstörung.

Der Traum von einer besseren Zukunft
Bloch war ein überzeugter Marxist, der sich zeitlebens mit den Möglichkeiten der Verbesserung des menschlichen Daseins beschäftigte. „Das Prinzip Hoffnung" entstand über mehrere Jahrzehnte hinweg; das dreibändige Werk wurde 1954 bis 1959 veröffentlicht. Blochs philosophische Arbeiten sind geprägt von der Frage, wie Menschen in einer ungerechten Welt nicht nur überleben, sondern auch träumen und auf eine bessere Zukunft hinarbeiten können. Er verbindet dabei utopisches Denken mit einer konkreten Vision von Veränderung und Fortschritt. Am Beispiel der Bauernkriege von 1525, als die Truppen Thomas Münzers brutal vernichtet wurden, zeigt Bloch auf, dass dennoch Hoffnung fortbesteht, weil nachfolgende Generationen von den Aufständen profitiert haben: „Geschlagen ziehen wir nach Haus. Unsere Enkel fechten’s besser aus.“ Vaclav Havel hat es so formuliert: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“

Tagträume, Hoffnung und Utopie
Im Zentrum von „Das Prinzip Hoffnung" stehen drei Konzepte. Erstens Tagträume: Bloch beschreibt, wie Menschen in ihren Tagträumen neue Möglichkeiten erahnen und sich ein anderes Leben vorstellen können. Für ihn sind diese Träume nicht bloß Eskapismus, sondern ein Fundament für Veränderung. Zweitens Hoffnung: Bloch versteht Hoffnung nicht als bloßen Optimismus, sondern als „konkrete Utopie“ - ein Widerspruch an sich, eigentlich. Die „konkrete Utopie“ ist eine Kraft, die das Potenzial hat, Menschen zu mobilisieren und ihnen Orientierung zu geben. Drittens Utopie: Blochs Utopiebegriff ist dabei radikal und zielgerichtet. Utopien sind für ihn nicht nur Luftschlösser, sondern das Streben nach einer besseren, gerechten Welt, die realisierbar ist. Bloch fordert, dass diese Utopien in der Gegenwart verankert und „konkret“ gestaltet werden müssen, um Wirkung zu entfalten. O-Ton: „Die Sozialutopie arbeitet als ein Teil der Kraft, das Gegebene so wenig selbstverständlich zu finden, dass nur seine Veränderung einzuleuchten vermag.“ Natürlich liefert er keine Handlungsanweisungen für Aktivist*innen und sicher würde er sich auch nicht, wie schon geschehen, von Rechtspopulisten vereinnahmen lassen. Doch seine philosophischen Abhandlungen sind auch nicht nur für den Elfenbeinturm gedacht. Würde Bloch in unserer heutigen Zeit leben, dürften wir ihn in den fortschrittlichen Bewegungen unserer Zeit vermuten, vereint mit Menschen in der sozialen Revolte. Schließlich war er in den 1960er Jahren wichtiger intellektueller Bezugspunkt der Studentenbewegung. Obwohl er aufgrund seines Alters keine aktive Rolle bei Demonstrationen spielte, unterstützte er deren Ziele durch Vorträge, Diskussionen und Schriften. Er zeigte Verständnis für die Kritik junger Menschen an gesellschaftlichen Missständen und ermutigte sie, utopische Visionen in konkrete Aktionen umzusetzen. 1968 erklärte Bloch öffentlich seine Solidarität mit den Protesten gegen den Vietnamkrieg und die kapitalistische Ausbeutung.

„Das Prinzip Hoffnung" und die globalen Krisen
Die Welt sieht sich heute mehr denn je mit Krisen konfrontiert, die die Grundfesten unserer Existenz erschüttern. Die Klimakrise, Hungersnöte und kriegerische Konflikte bedrohen das Leben von Millionen. Ernst Blochs Gedanken und Ansätze bieten eine tiefgründige Reflexion über das Problem, wie Hoffnung in einer scheinbar ausweglosen Lage entstehen kann. Dabei geht es durchaus darum, eine Ordnung infrage zu stellen, die Menschen durch soziale Ungerechtigkeit, wirtschaftliche Ungleichheiten und politische Konflikte leiden lässt. Der globale Hunger etwa ist heute eine Krise, die nicht nur durch Naturkatastrophen, sondern vor allem durch Profitstreben verursacht wird. Bloch würde diese Probleme als Ausdruck eines kaputten Systems betrachten, das die Bedürfnisse der Schwachen ignoriert. Für ihn besteht Hoffnung demnach darin, eine Zukunft zu erbauen, in der Hunger durch Solidarität, technologische Innovationen und politische Gerechtigkeit besiegt werden kann. Deshalb weist Blochs Konzept der „konkreten Utopie“ darauf hin, dass wir aktiv an der Lösung solcher Probleme arbeiten müssen, anstatt sie als gegeben zu akzeptieren. Er forderte stets, dass die Gesellschaft sich derart aufstellt, dass Missstände als unakzeptabel betrachtet und praktische Schritte unternommen werden, um diese zu verhindern. Die utopische Vorstellung einer Welt ohne Hunger kann als Antrieb dienen, Lösungen zu entwickeln, die den Bedürfnissen aller, insbesondere auch der Menschen im globalen Süden, gerecht werden.

Krieg und das Streben nach einer friedlichen Welt
Bloch lebte selbst in einer Zeit der Diktaturen und des Krieges im „Dunkel des gelebten Augenblickes“ und erfuhr das Exil am eigenen Leib. Die Idee der Hoffnung gegen die scheinbar unaufhaltsame Gewalt ist daher tief in seinem Werk verwurzelt. Im „Prinzip Hoffnung" sieht Bloch den Krieg als eines der größten Hindernisse für das menschliche Fortschreiten. Mehr noch: Die Brutalität von Kriegen, so Bloch, rechtfertige das „einzig moralische Widerstandsrecht“ des Pazifisten, der er war - verbunden mit einer „ökonomischen Analyse des Kriegstreibenden“. Allen Widrigkeiten zum Trotz fordert Bloch dazu auf, auch in den dunkelsten Zeiten an eine Welt des Friedens zu glauben. Seine Vision einer friedlicheren Gesellschaft ist eine, die sich nicht durch Macht oder Gewalt definiert, sondern durch Gemeinschaft und gegenseitigen Respekt. Für Bloch ist Frieden nicht nur die Abwesenheit von Krieg, sondern das Ergebnis einer gerechteren Weltordnung. Während des Zweiten Weltkriegs verurteilte Bloch die nationalsozialistische Aggression und betrachtete den Widerstand gegen den Faschismus, auch in Form militärischer Mittel, als gerechtfertigt. Insofern ist seine pazifistische Grundhaltung nicht radikal. In seiner Schrift Erbschaft dieser Zeit (1935), verfasst im Exil, zeigt sich seine klare Ablehnung des Faschismus, und er betont ausdrücklich, dass die Überwindung verbrecherischer Regime mit einer aktiven - wenn nötig auch gewaltsamen - Gegenwehr verbunden sein könnte.

Die Klimakatastrophe und die Notwendigkeit zum Handeln
Auch die Umweltkrise ist eine Bedrohung, die die Menschheit als Ganzes betrifft und mit drastischen sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Konsequenzen einhergeht. Für Bloch wäre wohl die Antwort auf die Klimakatastrophe ein Weckruf zum Widerstand, der realisierbare, wissenschaftlich basierte und politisch unterstützte Maßnahmen einfordert. Er würde betonen, dass es an uns liegt, nicht passiv auf Veränderungen zu warten, sondern aktiv die notwendigen Schritte zu gehen, um den Planeten zu schützen. Nur eine Gesellschaft, die die Wünsche und Hoffnungen ihrer Mitglieder ernst nimmt, sei, so Bloch, fähig, langfristige Probleme zu lösen - was er ebenso auf die Weltgemeinschaft als Ganzes bezieht. Bloch forderte oft eine Stärkung der Vereinten Nationen und die strikte Einhaltung der Menschenrechte, ganz im Gegensatz dazu, was Despoten unserer Tage anstreben. Wörtlich schrieb er: „Kein wirkliches Ende der Ausbeutung ohne Installierung der Menschenrechte.“ Auf die Klimakrise angewandt könnte dies bedeuten, dass jede/r Einzelne und jede Institution die Verantwortung für die Zukunft des Planeten übernehmen muss, damit kein Mensch unter den Auswirkungen der menschengemachten, sich längst anbahnenden globalen Katastrophe leiden muss. Dies erfordert eine Zusammenarbeit, die über nationale Grenzen und wirtschaftliche Interessen hinausgeht und in der Menschen auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten – den Erhalt unserer Umwelt für künftige Generationen.

Die Relevanz von Blochs Hoffnung für unsere Zeit
Die heutigen globalen Krisen sind für viele Menschen eine Quelle der Verzweiflung und Resignation. Hierin liegt die unermessliche Bedeutung von Blochs Werk für die Gegenwart: Er bietet eine Philosophie, die uns lehrt, dass Hoffnung unbedingt auch in der Krise aufrechtzuerhalten ist. Sein Konzept der Hoffnung geht über eine individuelle, innere Stärke hinaus und erfordert Ungehorsam sowie Veränderungen auf sozialer Ebene. Er wies daher schon früh und immer wider darauf hin, dass wir uns als Gesellschaft darauf besinnen, dass eine andere Welt möglich ist, wenn wir nur den Mut haben, uns diese vorzustellen und danach zu handeln. Diese Vorstellungskraft und der Glaube an das Potenzial des Menschen zur Veränderung sind heute notwendiger denn je. „Das Prinzip Hoffnung“ erinnert uns somit daran, dass trotz der scheinbar überwältigenden Probleme die Vision einer gerechten, friedlichen und nachhaltigen Welt nicht nur eine Fantasie ist, sondern ein Ziel, das erreichbar ist, wenn wir daran festhalten.

Blochs Philosophie als Leitfaden für eine bessere Zukunft
„Das Prinzip Hoffnung" ist also weit mehr als ein philosophisches Werk. Es ist ein Aufruf dazu, zu erkennen, dass selbst die größten Krisen überwunden werden können, dass Hoffnung eine transformative Kraft ist - eine, die uns hilft, das Mögliche im Unmöglichen zu sehen. Die Menschheit steht heute an einem Scheideweg, und Blochs Philosophie bietet uns eine Vision davon, wie wir diese Krisen überstehen und eine gerechtere, nachhaltigere und hoffnungsvollere Zukunft gestalten können. Diese Theorie hat eine mächtige Wirkgeschichte entfaltet und tut dies nach wie vor. Jürgen Moltmann, um nur ein Beispiel zu nennen, hat aus dem Prinzip Hoffnung einst die „Theologie der Hoffnung“ entwickelt. Ausgehend von dem berühmten Satz Ernst Blochs: „Das Wirkliche ist nicht fertig, sondern es wird.“
In diesem Sinne mag es werden, das neue Jahr.

Hubert Ostendorf

O-Ton Bloch: Nur Werke des Friedens zählen
Friede ist (…) keineswegs, wie bloßer Nicht-Krieg, die Ruhe als mögliche Schalheit, vielmehr: die Ruhe - dieses tiefste Fernziel im Frieden selber - wird dann erst das Problem des vollen Beisichseins. Erscheint als das Problem der noch völlig utopischen Gegenwelt zur Ruhe des Todes und doch als immer neu versuchtes Lösewort zu echter, gerade uns selber enthaltender Stille. Friede in solch höchster Anti-Schalheit hat derart, in seiner eigentümlichen Transparenz von Nahziel und Fernziel, sogar die am meisten metaphysische Bezeichnung des höchsten Guts gefunden; folgerichtig gehört Dona nobis pacem nicht zuletzt hierher. So vieles also hat das Fest des Friedens schon bedeutet, indes es noch kaum je das Fest eines Kriegsbeginns gab. (…) Die Kriege mögen bisweilen Lokomotiven der Weltgeschichte sein, aber nur die Werke des Friedens zählen in der Kultur.

aus der Dankesrede Ernst Blochs zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1967