Zwischenruf: Tanz in den Mai
Erste gute Nachricht: Der Mai ist gekommen. Zweite gute Nachricht: Nein, nicht „die Bäume schlagen aus“, das ist eh klar und in der ersten Nachricht schon enthalten. Sondern: Sigmar Gabriel bekommt einen Sitz im, nein, nicht im Bundestag, da war er früher Mitglied, darf ich mal ausreden? Sigmar Gabriel bekommt im Mai einen Sitz im Aufsichtsrat von Rheinmetall. Eine schöne Abrundung im Portfolio der Firma sowie im Portefeuille von Gabriel. Wenn auch nichts wirklich Neues. Der frühere SPD-Vorsitzende, Vizekanzler und Bundesminister sitzt oder saß auch schon in den Aufsichtsräten der Deutschen Bank, von Siemens Energy und irgendwas mit Thyssenkrupp. O Gott, ich merke, ich langweile Sie.
Schnell die dritte gute Nachricht: Der Vorstandschef der Deutschen Bank, Christian Sewing, darf für das abgelaufene Jahr mit einer Vergütung von rund zehn Millionen Euro rechnen, einer Million mehr als 2023. Und nicht genug: Drei namentlich nicht genannte Mitarbeiter (Mitarbeiter!) der Bank streichen nochmal deutlich mehr ein als der arme Sewing. Überhaupt gibt es in den oberen Etagen des Finanzhauses eine hammermäßige Millionärsdichte – zurzeit 647 Damen und Herren.
Das wird hier wohl nichts mit einem beschwingten kolumnistischen (das Wort bitte genau lesen!) Tanz in den Mai. Dabei hätte ich Ihnen zu gern noch von der steuerlichen „Verschonungsbedarfsprüfung“ erzählt. Kennen Sie die? Können Sie aber nur geltend machen, wenn Sie ein riesiges Betriebsvermögen geerbt haben und – so ein Zufall! – gerade nicht flüssig sind, um ihre Erbschaftssteuer zu zahlen. Das nette Finanzamt erlässt sie Ihnen dann nahezu komplett. (Näheres in einer Studie des Netzwerk Steuergerechtigkeit.)
Schwamm über das alles, es lebe der blanke Eskapismus. Im Mai schlagen nicht nur die Bäume aus und Sigmar Gabriel in der Panzerschmiede auf – im Mai, und zwar am 17., geht auch der Eurovision Song Contest über die Basler Bühne und damit auch die deutsche, aus Österreich importierte Talenthoffnung in Gestalt des Geschwister-Duos Abor & Tynna. Ihr nerviger Song „Baller“, von gewissen Medien vorab als „Ohrwurm“ belobhudelt, obwohl man nur hören kann, dass in dem Opus mächtig der Wurm drin ist, endet damit, dass Sängerin Tynna das Cello ihres Bruders an einem Verstärker zerschmettert (wenigstens soll es so aussehen). Ein Gruß an den Papa, der bei den Wiener Philharmonikern Cellist ist? Oder bloß eine typische Stefan-Raab-„Idee“? Egal, „Baller“ hat internationales Format, „weil keiner genau versteht, worum es geht“, wie Barbara Schöneberger klar erkannt hat. Einmal gönnte ich mir das Geballer. Der Rest war: Verschonungsbedarf.