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Foto: Thomas Struth erklärt der mittlerweile verstorbenen obdachlosen Fotografin Conny Ulrich eine Digitalkamera

Obdachlose fotografieren Passanten - ein Projekt von Thomas Struth

Bruno Henneböhl mit seinem Hund - fotografiert von Thomas Struth

Die meisten Menschen ziehen an Bruno vorbei, ohne ihn und seine Hündin „Bienchen“ zu beachten. Einige schauen verächtlich herab. Nur wenige werfen ein paar Münzen in sein Bastkörbchen. Manchmal fragt ihn ein Kind, ob er ein bestimmtes Liedchen spielen kann. Darüber freut er sich sehr. Bruno war mal verheiratet. Seine Frau ist gestorben. Das hat ihn aus der Bahn geworfen. Seine Mutter lebt im Altenheim einer kleinen Stadt im Münsterland. Er schreibt ihr manchmal, sieht sie aber nur selten. Der Glaube an Gott hat ihn davor bewahrt, in irgend einer Form süchtig zu werden. Trotz seiner nicht rosigen Tage hat Bruno ein sonniges Gemüt. „Die Menschen sind meistens nett zu mir“, bringt er hervor und ergänzt: „Ich bin mit meinem Leben zufrieden.“ Bruno hält die kleine Digitalkamera mit zittriger Hand. Seine dicken Finger können kaum den filigranen Auslöser bedienen. Nach wenigen Minuten hat er drei Dutzend Fotos geschossen. Leute ohne Köpfe, Vorbeieilende, von unten abgelichtet. Bruno ist einer von zwölf Menschen mit dem Lebensmittelpunkt Straße, die der weltberühmte Fotograf Thomas Struth motiviert hat, ihr Lebensumfeld mit der Kamera festzuhalten. Struth, dessen Arbeiten auf der ganzen Welt zu schwindelerregenden Preisen verkauft werden, will damit „einen Paradigmenwechsel herbeiführen“. Er lädt Obdachlose ein, für kurze Zeit ihren passiven Status der begafft Werdenden zu verlassen und selbst aktiv ihre Umwelt abzubilden und auf diese Weise zu interpretieren. „Durch die Fotografie“, so der Schüler der legendären Lehrer Bernd und Hilla Becher, „transzendieren Menschen am Rande der Gesellschaft ihr von außen oft als gescheitert betrachtetes Leben und verleihen ihm damit eine bestimmte Sinnhaltigkeit.“ Die Betrachtung der eigenen Fotos führten zudem zu einer neuen Wahrnehmung, auch beim externen Betrachter, der mitunter die vage Vorstellung von einer anderen Existenzmöglichkeit bereits innewohne. Die Ergebnisse der Struthschen Expedition sind so unterschiedlich, wie die Lebensgeschichten der unfreiwilligen Künstler. Die Bilder geben jede Menge Details über die Verletzlichkeit im sozialen Abseits preis, ohne düster und deprimiert zu wirken. Sie zeigen eine andere urbane Wirklichkeit, die gewöhnliche Passanten nicht wahrnehmen können. Die Fotos der Obdachlosen, die Struth in aufsuchender Kleinarbeit mit großer Empathie hat schaffen lassen, sind technisch nicht immer perfekt, in jedem Fall aber beeindruckend und authentisch. Hubert Ostendorf

Thomas Struth vor der Verkaufsstelle des Obdachlosen Rudolf Druschke
Eines von 7 Fotos, die Thomas Struth selbst gemacht hat, 71 stammen von 12 Obdachlosen
Thomas Struth im Gespräch mit dem mittlerweile verstorbenen Benny Brückmann, einem der 12 obdachlosen Fotografen
Foto von Michael Zwick, eines von 71 Fotos, die Obdachlose gemacht haben

 

Ausstellung ausleihen

78 in Naturholzrahmen gerahmte Farbphotographien auf PE-Papier je ca. 22,4 x 29,9 cm, Hoch- bzw. Querformate. 7 Photographien von Thomas Struth rückseitig jeweils mit Bleistift signiert, datiert, betitelt und numeriert. Die 71 weiteren Photographien rückseitig jeweils vom Bildautor signiert. Jeweils auf Unterlagekarton montiert. Auf den Kartonrückseiten Etiketts mit dem Projekttitel 'Obdachlose fotografieren Passanten', dem jeweiligen Namen des Bildautoren sowie einer (nicht fortlaufenden) Numerierung des Bildes: Ilse Bechte, Benny Brückmann, Rudolf Druschke, Bruno Henneböhl, Jörg Hilden, Hans Jürgen Kikillus, Johannes Klein, Helmut Köster, Regine Reinartz, Björn Schartz, Cornelia Ulrich, Michael Zwick. Die Ausstellung enthält ein Beiblätter mit Texten von Katharina Hohenhörst und Hubert Ostendorf sowie eine CD-ROM mit Texten zum Projekt. Zusätzlich eine Slideshow mit weiteren Fotos von Obdachlosen für Beamer-Präsentation. Kosten auf Anfrage: 0211 / 9216284