Ioan Iacob
Night on Earth
Verni: 06.09., 18 Uhr
fiftyfifty-Galerie


Farbige Dunkelheiten
Ioan Iacob in der fiftyfifty-Galerie

Im Alter von 16 Jahren hatte Ioan Iacob ein Schlüsselerlebnis. Der junge Gymnasiast beschäftigte sich im damals kommunistischen Rumänien ausgiebig mit der Literatur. Beinahe jeden Tag verbrachte er deshalb einige Zeit in einer Buchhandlung seiner Geburtsstadt Medias. Eines Tages entdeckte er einen Bildband des Malers William Turner, dem wohl bedeutendsten englischen Künstler der Romantik. Er schlug das Buch in der Mitte auf und war geradezu magisch angezogen von einer Panorama-Landschaft. Doch leider fehlte ihm das Geld, diesen Band zu kaufen. Er bettelte bei Freunden und Bekannten und hatte schließlich die Summe zusammen. Der nur kurze Nachhauseweg von der Buchhandlung dauerte diesmal eine gefühlte Ewigkeit. In das Buch versunken schlenderte Ioan Iacob gemächlich zu seinem Elternhaus, und als er ankam wusste er mit absoluter Bestimmtheit: „Ich bin Maler.“ Ich bin. Nicht: Ich werde. Er hatte zwar kein Papier, keine Stifte, keine Farben und auch keine Ahnung. Doch von dem Moment an war er Maler. Nun ist er 70 und bis heute tatsächlich niemals etwas anderes gewesen, als ein Maler. Ein besessener dazu. Von früh bis spät arbeitet er in seinem Atelier in Düsseldorf, derzeit an über 60 Bildern gleichzeitig.
Nachdem der Vater, ein Siebenbürger Sachse, Ende der 1970er Jahre aus Rumänien nach Deutschland geflohen war, folgte die Familie irgendwann nach und Ioan Iacob bewarb sich an der Düsseldorfer Kunstakademie. Der Ruf dieser Kaderschmiede war auch im abgeschotteten Ceaușescu-Staat, wo der „Sohn eines Verräters“ wegen „mangelnder Begabung“ keine Kunsthochschule besuchen durfte, legendär. Und tatsächlich: Der junge Aussiedler ergatterte als einer von 34 Angenommenen unter über 1.200 Berwerber*innen einen der begehrten Plätze. Er wurde Student, Meisterschüler und schließlich Assistent des berühmten Gotthard Graubner. Ioan Iacob über diese Entscheidung: „Ich wollte zu keinem anderen Professor. Bei Graubner war ich genau richtig.“
Heute hängen die Bilder Ioan Iacobs in bedeutenden Museen und wurden auf Ausstellungen in vielen Ländern der Welt gezeigt. Auch große Sammlungen haben Werke angekauft. So zum Beispiel die des Mäzens Willi Kemp, der all seine Schätze wichtigen Häusern vermacht hat. Kein Geringerer also, als der große Willi Kemp, schreibt enthusiastisch über Ioan Iacob: „In seinen durchkomponierten Bildern dominiert eine explodierende Farbigkeit, ein Farbklang, bei dem kein Ton wie der andere ist.“ Und die Kulturkritikerin Helga Meister befindet: „Ioan Iacob ist von der geistigen Landschaft anderer Maler geprägt. Außer Turner sind dies Monet, Renoir und Velasquez, Vermeer, Tiziano, El Greco.“ Ioan Iacobs Bilder wirkten, so Helga Meister, in sich ruhend. „Er transzendiert die Dinge durch das Licht.“
Derzeit arbeitet Ioan Iacob an einer neuen Serie „schwarzer Bilder“: Stillleben, Landschaften, Kirchen, afrikanische Wildhunde und andere Motive in seinem typischen Malstil vor dunklem Hintergrund. „Night on Earth“, so lautet der Titel der kommenden Ausstellung in Anlehnung an einen Episodenfilm von Jim Jarmusch. Doch das Schwarz seiner Bilder ist gar nicht schwarz. Nur die Grundierung ist es, im Nachhinein subtil übermalt mit Rotblau oder Blau oder anderen Farben. Die schwarze Anmutung des ersten Blickes entpuppt sich somit also als farbige Dunkelheit. Dies zu entdecken erfordert genaues Hinsehen. Und es lohnt sich immer, bei Ioan Iacob genau hinzusehen.
Hubert Ostendorf


Ioan Iacob
Night on Earth
Benefiz zu Gunsten obdachloser Menschen
03.09. bis 30.09.2024
fiftyfifty-Galerie
Jägerstr. 15
40231 Düsseldorf
0211 9216284
fiftyfifty.de

Foto
Ioan Iacob: Lycaon Pictus
Öl auf Leinwand 2024
70 x 110 cm, handsigniert
© Ioan Iacob